IFC Plus: Mehr Vernetzung für BIM

Was BIM-Software von Google und Co. lernen muss

Die Digitalisierung des Bauwesens steht faktisch noch am Anfang. Damit aus BIM eine kollaborative Methode wird, die diese Beschreibung auch verdient, braucht es den Informationsaustausch mit Datenformaten wie IFC Plus.

Unser Alltag ist digital und vernetzt, nicht nur privat, sondern auch geschäftlich: Das CRM-Tool teilt uns mit, dass eine Mail eingegangen ist, die in Zusammenhang mit einem Deal steht, der in der laufenden Woche einen Abschluss finden sollte. Die Marketing-Software scannt Informationen bei LinkedIn, um Absatzaussichten zu prüfen. Und der Google-Kalender weiß aus einer E-Mail im Gmail-Account, dass ein Termin um 14:00 Uhr bevorsteht und erinnert daran, rechtzeitig aufzubrechen. Google Maps erfährt wiederum von der Google-Kontakte-App, wo der Termin stattfindet und zeigt, welches Verkehrsmittel aufgrund der Verkehrslage das richtige ist.

Der Weg zu IFC Plus ist noch lang, aber theoretisch und praktisch möglich.
Foto: Die Werkbank IT GmbH

Der Weg zu IFC Plus ist noch lang, aber theoretisch und praktisch möglich.
Foto: Die Werkbank IT GmbH

Während das digitale Management im Alltag und in der Geschäftswelt weitestgehend reibungslos funktioniert, scheitert die verheißungsvolle BIM-Kollaboration bereits am Datenaustausch zwischen Planungsprogrammen verschiedener Anbieter und erst recht am Datenfluss zwischen Planern und Gewerken. Dabei lautet doch das oberste BIM-Gebot: Software muss miteinander kommunizieren. Wie das beispielhaft gehen kann, machen Google und Co. vor. Ein Ansatz ist, das Format IFC mit API (Application Programming Interface) und Datenbanken in "IFC Plus" zu erweitern.

Es ist zwar relativ einfach, von "ArchiCAD" in "Archiphysik" oder "Artlantis Studio" und andere Programme einer zusammenarbeitenden Anbietergruppe zu wechseln. Um Daten von "ArchiCAD" nach "Revit" zu transferieren, müssen aber immer noch Welten überbrückt werden. Noch größer sind die Hürden bei der Übertragung von Daten aus der CAD-Software in eine x-beliebige Statik- oder Haustechnik-Software. Weil dafür offene Dateiformate unerlässlich sind, die den Austausch zulassen und eine Zusammenarbeit ermöglichen, ist IFC aktuell das führende Datenaustauschformat beim digitalen Planen und Bauen.


Austauschformat IFC: Einbahnstraße statt Datenfluss

Ein Problem ist, dass das Datenaustauschformat IFC aktuell wie ein PDF verwendet wird, sprich in einer Art Einbahnstraßen-Kommunikation. BIM-Modelle verlassen als IFC-Dateien die CAD-Umgebung und werden an Statiker, sonstige Fachingenieure, Fachplaner und andere am Bau Beteiligte weitergegeben. Jede nachträgliche Änderung am BIM-Modell, sei es auf der Baustelle oder in der Ausschreibungssoftware, bedeutet eine neue Version des IFC-Files.

Im Idealfall kommen die verschiedenen IFC-File-Versionen eines einzigen Bauvorhabens wieder zurück zum zentralen BIM-Manager und dieser ist auch in der Lage, die einzelnen Versionen wieder richtig und vollständig zu einem einzigen nativen CAD-File zusammenzusetzen. Ein Beispiel: Ein Planer entscheidet sich im Planungsprozess etwa für eine Innenwandlösung von Rigips. Sämtliche Simulationen und Berechnungen sind mit diesem System durchgeführt worden. Im Idealfall geht das BIM-Modell als IFC-File nun in eine entsprechende Ausschreibungssoftware. Je nach Ausschreibe- und Vergabeprozess wird tatsächlich aber eine Lösung von Knauf bestellt. Wie kommt aber diese Information jetzt in das BIM-Modell?

Vielleicht gibt es hunderte derartiger Änderungen. Je nach AVA-Software gibt es eventuell digitale Wege zurück, die mal besser und mal schlechter funktionieren. Nur am Weg zurück ins CAD-System führt kein Weg vorbei. Dort muss eine aufwendige und komplizierte Konsolidierung stattfinden.

Diese Praxis hat aktuell noch wenig mit einem immer aktuellen "Digital Twin" zu tun, an dem sich alle am Bau Beteiligten orientieren und arbeiten können – und damit auch reichlich wenig mit BIM.


BIM-Vision: Information statt Format

BIM verlangt eine Welt, wie sie Google mit seinen Apps vorlebt: In dieser Welt sind alle aufkommenden Softwarelösungen miteinander verbunden und kommunizieren miteinander. Da stellt sich nicht mehr die Frage nach Datenformaten, Anforderungsplänen und Bearbeitungsständen, weil unterschiedlichste Programme ständig unbemerkt Daten miteinander austauschen. Das ist über den gesamten Gebäudelebenszyklus möglich – und zwar viel offener und freier als aktuell über die CAD-Systeme, die nur von Fachleuten wie Architekten und Bauzeichnern bedient werden können. Technisch gesehen bietet das offene Datenaustauschformat IFC heute schon zahlreiche Möglichkeiten, einen Teil dieser Vision umzusetzen, in der Praxis bleiben sie aber bisher noch ungenutzt.


Plädoyer für eine breitere Nutzung von IFC

Da IFC ein geskriptetes Format ist, ist es möglich, ein Modell komplett aus dem Programmiercode zu erzeugen, sprich etwa ein ganzes Haus aus einem IFC-Code zu schreiben. Viel spannender ist aber, dass sämtliche Attribute aus verschiedensten Quellen befüllt werden können. Weil es eine Skript-Sprache ist, kann theoretisch jeder direkt in die Datei schreiben, um etwa Parameter und Attribute zu aktualisieren, zu ergänzen oder auszutauschen, ohne dass ein Umweg über ein CAD-Programm notwendig ist. Das schafft noch keinen Datenfluss à la Google, aber zumindest Augenhöhe zwischen allen Beteiligten anstelle einer Hegemonie der CAD-Planer, wie sie heute besteht.


IFC Plus: Mit API zum freien Datenverkehr à la Google

Damit eine flüssige Datenautobahn im Hintergrund auf Hochtouren laufen kann, braucht es sogenannte API (Application Programming Interfaces). Diese Werkzeugboxen sorgen dafür, dass Programmierer mit ihren Lösungen an Systeme andocken und Information auf allen Kanälen ausgetauscht werden können. Die nahtlose Vernetzung der Google-Apps funktioniert dank dieser API. Und genauso müsste und könnte es mit IFC im Bauprozess funktionieren. Ob in CAD, in einer Ausschreibungs-Software oder auf der Baustelle über einen Viewer mit einem iPad: Mit API ist es theoretisch an jeder Stelle des Prozesses möglich, Knauf-, Rigips- oder Schüco-Daten einzubringen oder wieder zu entfernen. Weil IFC hervorragend an diese APIs angebunden werden kann und Daten direkt in IFC-Dateien integriert werden können, trägt diese Vision den Namen "IFC Plus".

Zur Verwirklichung dieser Vision ist noch ein langer Weg zu gehen. Aber er ist theoretisch und praktisch möglich. IFC lässt sich in Verbindung mit entsprechenden API so nutzen, dass es sich überall andocken und bearbeiten lässt – und damit von einem Datenaustauschformat zu einem wirklich freien Informationsaustauschformat wird, dass jedem am Bau Beteiligten mehr Autonomie verschafft.


Mit Datenbanken zu neuer Informationsdichte

Diese neu gedachte IFC-Datei lässt sich dank der APIs mit allen denkbaren Datenquellen verbinden und sowohl einfach als auch benutzerfreundlich um optimierte Informationen, wiederum strukturiert in verschiedene Level of Detail (LOD), Level of Information (LOI) oder Level of Information needed (LoIn), erweitern. In Verbindung mit einer eigens dem Bauprojekt gewidmeten führenden Datenbank stünde damit erstmals eine BIM-IT-Infrastruktur zur Verfügung, die diesen Namen auch verdient. Denn jetzt könnten zum ersten Mal wirklich Informationen fließen – nicht mehr nur Dateien. Die eigene CAD-Planung wird an Produktdatenbanken von Baustoffherstellern angebunden, je nach Stand im Vergabeverfahren wird das digitale Bauvorhaben auf Knopfdruck aktualisiert und die Änderungen direkt im "Digital Twin" im CAD-System angezeigt. Auf der Baustelle werden kurzfristige Produktänderungen ergänzt und über einfache Zusatzfunktionen im Viewer allen angeschlossenen Datenabnehmern übermittelt. Jetzt wird BIM real. Erst dann klopft Google anerkennend auf die Schultern der allgemeinen BIM-Software, denn endlich hat die Baubranche geschafft, wovon sie die ganze Zeit redet.


Mit Datenbanken in alle Detailtiefen

Eine Schlüsselfunktion in diesen Überlegungen haben Hersteller von Baustoffen und Bauprodukten: Sie übersetzen alle ihre Produkte und Systemvarianten, die sie üblicherweise in PIM-Systemen organisieren, mithilfe einer BIM-Infrastruktur wie „BIM and More“ in BIM-Objekte, sodass sie Fachplanern und Architekten in CAD-Programmen zur Verfügung stehen. Ohne diese Vorleistung werden sich keine nennenswerten Informationsumfänge in die klassischen BIM-Prozesse einbringen lassen. Erst dann können etwa Architekten wirklich informationsdichte BIM-Modelle beispielsweise als "ArchiCAD"- oder "Revit"-Dateien erstellen und gemäß unserer hier beschriebenen Vision einmalig als IFC Plus-Datei mit einer führenden Bauprojekt-Datenbank im Hintergrund ausgeben. Generalunternehmer (GU), Fachgewerke, Statiker und alle anderen am Bau Beteiligten arbeiten nun damit, jeweils über ihre eigene "IFC Plus"-fähige Software direkt an die führende Datenbank angebunden. Falls für die Erfüllung ihrer jeweiligen Teilaufgabe weitere Datenbanken nötig sind, werden auch diese angebunden. Ein abschließendes Speichern in die führende Datenbank macht sämtliche Arbeitsergebnisse sofort für alle anderen Projektbeteiligten sichtbar und nutzbar. Ein weiterer Austausch von Dateien ist dann nicht mehr nötig.


Fazit

Noch gibt es diese Möglichkeiten nicht – und sicher auch noch nicht morgen. Aber das sind die nächsten Schritte in einer längerfristigen Entwicklung, die die Vision einer digital vernetzten Planungs- und Baubranche vor Augen hat, die hinter Building Information Modeling stehen.

Trotz vieler Errungenschaften steht die digitale Entwicklung des Bauwesens immer noch am Anfang der vielfach beschworenen Revolution. Dass BIM keine Software, sondern eine kollaborative Methode ist, bleibt ohne Überlegungen wie "IFC Plus" nur ein weit verbreitetes Lippenbekenntnis. Technisch gesehen, hinkt die Branche sogar der Landwirtschaft hinterher. Sie befindet sich aktuell an einem Punkt, an dem vielleicht nur 5 % der digitalen Möglichkeiten im Bau erreicht sind. In den kommenden zehn Jahren arbeiten alle noch gewiss daran, die Grundfunktionalitäten hervorzubringen, wie etwa einen unbemerkten Datenfluss von einer Software zur anderen, damit BIM seiner Vision etwas näherkommt – und unserer Grunderfahrung in einer digital eng vernetzten Alltagswelt.


Matthias Uhl ist Experte im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Gründer sowie Geschäftsführer von Die Werkbank IT GmbH, die mit der BIM-Infrastruktur „BIM and More“ Herstellern von Bauprodukten und Baustoffen die Übersetzung und Aufbereitung der Produktdaten in BIM-Objekte ermöglicht.
Foto: Die Werkbank IT GmbH

Matthias Uhl ist Experte im Bereich Building Information Modeling (BIM) und Gründer sowie Geschäftsführer von Die Werkbank IT GmbH, die mit der BIM-Infrastruktur „BIM and More“ Herstellern von Bauprodukten und Baustoffen die Übersetzung und Aufbereitung der Produktdaten in BIM-Objekte ermöglicht.
Foto: Die Werkbank IT GmbH

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