BIM macht’s möglich
Sind einige Architekten noch immer der Meinung, dass BIM nur den Aufwand erhöht, sieht Andreas C. Schmidt von Bremer + Bremer Architekten die Vorteile. Nutzt der Architekt die Informationen des Modells in seiner Kostenplanungs- und Ausschreibungssoftware, kann er dem Auftraggeber frühzeitig exakte Kosten präsentieren.
Bremer + Bremer Architekten, heute von den beiden Diplom-Ingenieuren Andreas F. Bremer und Andreas C. Schmidt in Wetzlar geführt, gehört zu den wenigen Büros, die sich für ein Projekt von der Entwurfsidee bis hin zur Innenarchitektur verantwortlich fühlen. Seit 1957 plant und realisiert das Architekturbüro Privat- und Gewerbebauten, Neu-, Umbau- und Sanierungsmaßnahmen im Schwimmbad- und Wellnessbereich sowie Denkmalsanierungen nach individuellen Bedürfnissen der Auftraggeber. Die Projekte reichen vom Wohnhaus, Gewerbebau, über zahlreiche Schwimmbäder bis hin zu einer der europaweit modernsten Anlagen für Radiopharmaka für Diagnostik und Behandlung von Patienten mit neuroendokrinen Tumoren. 2016 stieg das Büro in das BIM-Thema ein und erwarb die CAD-Software „EliteCAD“. Mit dieser entwickelt der Anwender sein 3D-Modell auf Basis von BIM, um vom Modell in wenigen Schritten alle relevanten Pläne abzuleiten, assoziativ zu vermaßen, fotorealistische Perspektiven zu erstellen und zu jedem Projektstand alle Kennwerte mithilfe der grafischen Massenermittlung zu ermitteln. Um durchgängig von der BIM-Methodik zu profitieren, führte man zeitgleich die AVA- und Baukostenmanagementsoftware „California.pro“ der G&W Software AG ein, da diese neben einer allgemeinen IFC-Schnittstelle auch eine direkte Datenübernahme aus „EliteCAD“ beinhaltet. Außerdem überzeugte die Durchgängigkeit des Programms von der ersten Kostenschätzung über die Kostenberechnung, Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung bis zur Dokumentation abgeschlossener Projekte.
Festlegen von Bürostandards rechnet sich
Mussten sich die Mitarbeiter neben ihren regulären Tätigkeiten in die beiden neuen Programme einarbeiten, so galt es gleichzeitig, die notwendigen Voraussetzungen und Strukturen für die BIM-Methodik zu schaffen. Denn, um den BIM-Prozess zu leben, ist eine konsequente „BIM-gerechte“ 3D-Modellierung absolute Voraussetzung.
Jedes CAD-Programm – so auch „EliteCAD“ – legt Standards für Bauteile vor. Jedoch können bestimmte Bauteile nicht mit diesen Standards abgedeckt werden. Dazu nutzt das Büro freie Formen, die entsprechend benannt und im 3D-Modell aufbereitet werden müssen, damit „California.pro“ sie als das erkennt, was sie sind.
„Benötigen wir zum Beispiel eine schräge Betonwand mit diversen Öffnungen, gestalte ich diese mit freien Formen und statte sie mit den korrekten Wandeigenschaften aus“, erklärt Architekt Andreas C. Schmidt. Sonst würde zwar die optische Darstellung passen, aber für die weitere Bearbeitung in „California.pro“ wären die Daten nicht sinnvoll nutzbar. Dieser Vorgang musste für zahlreiche Bauteile durchgeführt werden, rechnet sich aber bei Fortschreiten des Projekts durchaus.
3D-Modell in „California.pro“
Über die integrierte Schnittstelle laden die Planer das 3D-Modell mit seinen Bauteilen in „California.pro“ inklusive ergänzenden Informationen wie Ausstattungs- und Qualitätsmerkmale oder individuell vereinbarte technische Parameter. Das Programm erzeugt daraufhin aus dem digitalen Gebäudemodell das „Kaufmännische Gebäudemodell“, welches, als Raum- und Gebäudebuch nach Lokalität und Qualität gruppiert, alle im Gebäudemodell gefundenen Bauteile mit ihren Eigenschaften darstellt.
Die Software generiert daraufhin aus dem Raum- und Gebäudebuch die Leistungsverzeichnisse für die einzelnen Vergabeeinheiten. Durch die den Leistungen zugeordneten Kostengruppen bildet das System die Baukosten in der Kostengliederung der DIN 276 oder in beliebig anderen Kostenstrukturen ab. Jederzeit ist sichergestellt, dass alle Kosten, die aus der geometrieorientierten Planung stammen, 1 : 1 in den LV und ebenfalls exakt in der DIN 276 erscheinen. Kosten, die typischerweise nichts mit dem digitalen Gebäudemodell aus der CAD zu tun haben, wie z.B. Grundstückskosten, Baunebenkosten etc., ergänzen die Planer im Kaufmännischen Gebäudemodell und berücksichtigen diese bei Kostenkontrolle, Budgetüberwachung und Kostendokumentation.
Kosten bereits abgewickelter Projekte ins neue LV kopieren
Zuerst sollten technisch komplexe Projekte wie die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen von Schwimmbädern und Wellness-Oasen BIM-mäßig abgewickelt werden. Dazu übernimmt Bremer + Bremer die Massen aus dem BIM-Modell, greift allerdings zur Kostenberechnung auf Leistungsverzeichnisse bereits abgewickelter Projekte zu. Die Kosten der relevanten Positionen übertragen die Planer per Drag & Drop ins neue LV. So erhalten sie auf schnellem Wege in einem frühen Stadium bereits eine Kostenberechnung.
Andres C. Schmidt erläutert: „Die Kosten präsentiere ich dem Bauherrn. Sollten diese das vorgegebene Budget sprengen, schlage ich Veränderungen vor, wie z.B. nur einen Teil des Gebäudes zu sanieren oder Bauteile als Bausteine entfallen zu lassen.“
Je früher der Bauherr mit den aktuellen Kosten sowie mit Varianten und deren Auswirkungen auf die Kosten konfrontiert wird, desto größer ist seine „relative“ Kostensicherheit. „Das lässt sich in der Leistungsphase 3 dem Bauherrn noch gut erklären und es ist die Chance, aktiv Einfluss auf die Kosten zu nehmen. Er kann dann entscheiden, welche Varianten er realisiert haben möchte“, erläutert der Architekt und fährt fort: „In späteren Leistungsphasen werden Änderungen und deren Auswirkungen auf die Kosten allerdings kritisch.“
Laut Andreas C. Schmidt kommt diese Vorgehensweise bei den Verwaltungsfachleuten der öffentlichen Auftraggeber gut an. Für die Politiker werde es allerdings ein Umdenken geben, da die Kosten nicht einfach mehr heruntergerechnet werden können und dann bei Fertigstellung der Projekte die tatsächlichen Kosten die prognostizierten um ein Vielfaches übersteigen.
Vorteile durch Automatisierung der Prozesse
Obwohl die Einführung der BIM-Methodik, das Aufbauen der Strukturen und das Einarbeiten in die neuen Programme, „EliteCAD“ und „California.pro“ arbeitsintensiv waren, sieht Andreas C. Schmidt in der BIM-Methodik vielfältige Vorteile durch die Automatisierung der Prozesse. Zwar verschiebt sich ein Großteil der Arbeiten in die ersten Leistungsphasen, dadurch reduziert sich der Aufwand in den Ausführungsphasen. Auch entsteht ein präsentationsreifes Modell quasi als Abfallprodukt. Durch Einlesen der Modelle der Fachplaner via IFC-Schnittstelle sind Kollisionen sofort ersichtlich und können im Vorfeld behoben werden.
Wirtschaftliche Vorteile
Für Bremer + Bremer bietet die BIM-Methode wirtschaftliche Vorteile – vorausgesetzt, sie sind für alle Leistungsphasen (zumindest ab Leistungsphase 3) beauftragt. Der hohe Aufwand für eine Mengen- und Kostenermittlung sowie LV-Erstellung bis hin zum schlussgerechneten Projekt reduziert sich durch konsequente Anwendung der BIM-Methodik für AVA und Kostenplanung erheblich und bietet schon in Leistungsphase 3 eine exakte Kostenberechnung. Die Aktualisierung aller Daten bei Änderungen der Planung vereinfacht sich stark und Fehlerquellen werden weitgehend ausgeschlossen.
Info
G&W ist auf der digitalBau 2020 in Köln in Halle 7, Stand 532, zu finden.