Wann wird BIM zum Alltagsgeschäft?
Building Information Modeling, oder kurz BIM, ist im Planungsalltag angekommen. Das Interesse an der digitalen Planung ist inzwischen groß, die Werkzeuge für den BIM-Einsatz sind vorhanden. Heißt das jetzt für alle: Durchstarten?
Der Ruf nach Informationen zum Thema BIM und Digitalisierung aus den Reihen der Architekten und Fachplaner wird immer lauter. Umso wichtiger ist es, die inzwischen verfügbaren Angebote von Architekten- und Ingenieurkammern, Institutionen, freien Fortbildungsträgern oder auch Herstellern aktiv zu nutzen. Welche Frage dem interessierten Architekten auf einer solchen Fortbildung jedoch niemand beantworten wird: „Und was bedeuten der digitale Wandel und BIM konkret für mich?“ Umso wichtiger ist es also, an die heranzutreten, die a) bereits mit BIM planen und b) nicht nur große und prestigeträchtige Projekte realisieren, sondern BIM im Alltag für ihre Bauvorhaben nutzen. Sie können die Antwort liefern.
Zwei die nach mehreren Jahren, erst getrennter und nun gemeinsamer Erfahrungen mit BIM, zusammenarbeiten, sind Florian Kraft von Stefan Forster Architekten und Torben Wadlinger von Graf und Partner. Für sie ist BIM Alltagsgeschäft und hat damit längst die Mystik des Utopischen und Neuen verloren. Im Gegenteil: Es ist essentiell für ihre Planungsauffassungen, obwohl ihre Projekte komplett verschieden gelagert sind. Während Stefan Forster Architekten im Frankfurter Raum mit Wohnungsbau groß und bekannt geworden sind (aktuell 55 Mitarbeiter), plant Torben Wadlinger (aktuell vier Mitarbeiter) in der Pfalz anspruchsvolle Sanierungsprojekte und kleinere Wohnbauten mit BIM.
Trotzdem – oder gerade, weil das Spektrum so breit ist – haben sich beide zusammengefunden und mit Verwunderung festgestellt, dass ihre Arbeitsweisen sich nicht unterscheiden, sondern sinnvoll ergänzen. Denn eine Besonderheit der digitalen Planung mit BIM ist, dass der Prozess immer der gleiche ist. Und zwar unabhängig von Projektgröße, Planungsaufgabe, Bautypologie oder Bürogröße. Das ist wichtig, um zu verstehen, was die beiden BIM-Protagonisten und passionierten „ArchiCAD“-Nutzer vorantreibt: qualitätsvolle Architektur und Effizienz im Planungs- und Bauablauf zu verbinden.
Die Frage, ob BIM sich lohnt, ist für die Architekten schnell beantwortet. Torben Wadlinger macht es prägnant und bildhaft deutlich: „Selbst den Zaun eines Einfamilienhauses kann ich in BIM planen. Und es lohnt sich allein schon deshalb, weil ich die 3D-Daten anschließend zum Stahlbauer bringe und er damit seine Teile fertigen kann. Da kurzfristige Planänderungen, was ja immer wieder passiert, schnell und unkompliziert möglich sind, wird der BIM-Mehrwert noch größer.“
Das Beispiel mit dem Gartenzaun mag überspitzt klingen, doch trifft es den Kern der aktuellen Diskussion: Entscheidend für den Erfolg eines BIM-Projekts sind nicht Größe und Umfang, sondern die Stringenz in der Planung. Dazu muss ein Architekt im Vorfeld eine Reihe von Regeln definieren, die während des gesamten Prozesses ihre Gültigkeit behalten. Hierzu gehören Modellierungsrichtlinien, die beide Architekten in ihrer BIM-Software „ArchiCAD“ vorab festlegen. Sie definieren beispielsweise, welcher Detaillierungsgrad in welcher Leistungsphase abzubilden ist, welche Daten und Informationen wann einzubringen sind oder wie die Geometrien der Bauteile dargestellt werden. Das ist freilich nicht jedes Mal notwendig. Die Basis muss nur einmal gelegt werden. Ab dem zweiten Projekt lässt sich darauf zurückgreifen und die Richtlinien können modifiziert werden, wenn es notwendig ist. Florian Kraft setzt außerdem auf eine „sparsame Modellierung“, wie er es nennt: „Wenn ich zu früh zu stark detailliere, verzettele ich mich in der Folge. Dann kommen Änderungen und es wird sehr aufwendig und zeitintensiv, das Modell anzupassen. Das heißt also: Möglichst sparsam modellieren, aber früh die Eigenschaften im Modell hinterlegen. Also was brauche ich, um geometrische Prüfungen zu machen und was lässt sich besser über Daten und aus der ‚ArchiCAD‘-Datei ableitbare Listen abbilden?“
Der möglichst durchgängige und digitale Prozess ist es, um den sich BIM dreht. Ein Planungsprozess, der bereits lange vor dem ersten Strich im „ArchiCAD“ vorausgedacht wird. „Vorplanung und Intelligenz ersetzen Arbeit“, wie es Torben Wadlinger formuliert. Und hierin liegt wohl auch einer der großen Nutzwerte von BIM: die Zeitersparnis bei Standardroutinen wie Listen oder der Abgleich von Planständen und Teilplanungen. Florian Kraft nennt ein Beispiel: „Türlisten bei größeren Wohnbauprojekten haben uns früher Tage gekostet. Heute erledigen wir das in einem Bruchteil der Zeit. Hinzu kommt, dass jede Änderung einer Einzelposition in alle Listen händisch übertragen werden musste. Das erfolgt nun automatisch und direkt aus der BIM-Planung. Dies bedeutet viel weniger Fehler, was Kosten spart in den folgenden Planungsphasen.“
Die beiden BIM-Anwender Torben Wadlinger und Florian Kraft bündeln zukünftig ihre Erfahrungen und stellen sie anderen Architekturbüros zur Verfügung. In ihrem Consulting-Unternehmen „Compendium“ möchten sie die Frage nach dem „Was bedeutet der digitale Wandel für mich und wann lohnt sich BIM?“ individuell beantworten. Das könnte gut funktionieren, denn sie sind authentisch und glaubwürdig. Torben Wadlinger ist sich sicher: „Uns unterscheidet etwas Wesentliches von vielen BIM-Beratern: Wir kommen aus der Praxis. Wir haben erprobte Prozesse, die wir bereits einsetzen und sind in der Lage, geordnete Planungs- und Prozessstrukturen aufzusetzen. Und wir lernen bei unserer Arbeit noch immer sehr viel dazu!“