CO2 sparen mit Faulturm

Softwareeinsatz fürs Kostenmanagement

Der Faulturm der Kläranlage ist das aktuell größte Klimaschutzprojekt der Stadtwerke Leer AöR und ihrer Tochtergesellschaft Stadtwerke Leer Energie GmbH. Ziel ist es, 742 t CO2 pro Jahr zu sparen. Beim Kostenmanagement des 6,5 Mio. € teuren Projektes hilft eine durchgängige AVA- und Baukostenmanagementsoftware.

Die Kläranlage der Stadt Leer mit ihren 35.000 Einwohnern ist auf eine Planungsgröße von 95.000 Einwohnergleichwerten ausgelegt und hat eine 50- bis 60-prozentige Auslastung. Beim Bau der Kläranlage in den 1970er Jahren legte man den Schwerpunkt neben der mechanischen Reinigung auf die biologische Reinigungsstufe. Schon damals war man innovativ und entschied sich für ein Tiefstrombelüftungsverfahren in 80 m tiefen Schächten. Das System hat sich durch den relativ geringen Energieeinsatz bewährt.

Klärschlamm und Stromverbrauch reduzieren

+ Erste Betonierschritte des Faulturmes mittels Kletterschalung Erste Betonierschritte des Faulturmes mittels Kletterschalung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Erste Betonierschritte des Faulturmes mittels Kletterschalung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Um die während der Abwasserreinigung auf der Kläranlage jährlich anfallenden 1.200 t Klärschlamm zu reduzieren, realisieren die Stadtwerke Leer gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Stadtwerke Leer Energie GmbH einen modernen Faulturm mit dazugehöriger Vorklärung. Die im Faulturm entstehenden Faulgase werden mit Hilfe eines Blockheizkraftwerks in elektrische und thermische Energie umgewandelt, so dass sich damit unter anderem ein Großteil des Strombedarfs der Kläranlage decken lassen. So können sowohl 742 t CO2 eingespart als auch der Stromverbrauch deutlich reduziert werden.

Wirtschaftsberechnung und Fördermittelantrag

Betoniervorgang der Wände des Faulturmes ist abgeschlossen. Der Betoniervorgang der Wände des Faulturmes ist abgeschlossen.
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Der Betoniervorgang der Wände des Faulturmes ist abgeschlossen.
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Für den Bau des Faulturms erhalten die Stadtwerke Leer (www.stadtwerke-leer.de) 1 Mio. € Fördergelder „für Energieeffizienzmaßnahmen bei öffentlichen Abwasseranlagen“ aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Diese werden über die NBank, der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsens abgewickelt. Grundlage des Fördermittelantrags ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der CO2-Reduktion, die von dem begleitenden Ingenieurbüro errechnet wurde. Im April 2018 konnten die Stadtwerke Leer die Aufträge für den Bau der Vorklärung und des Faulturms vergeben. Um die Kosten der Vorklärung sowie des Faulturms exakt zu planen, zu überwachen und zu dokumentieren, kommt wie bei allen anderen Projekten der Stadtwerke Leer das AVA- und Baukostenmanagementsystem der Münchener G&W Software AG (www.gw-software.de) zum Einsatz. Seit 2010 setzen die Stadtwerke Leer zur Optimierung der Kostenkontrolle „California.pro“ ein. Denn mit dieser Lösung können sie ihre Projekte von der ersten Kostenschätzung über die Kostenberechnung, Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung einschließlich der laufenden Kostenkontrolle bis zur Dokumentation der abgeschlossenen Projekte betreuen. 

Exakte Kostenaufteilung wichtig

Besonders wichtig bei dem förderfähigen Projekt ist die exakte Kostenaufteilung. In „California.pro“ ist die Aufteilung der Kosten sowohl in klassische Kostenträger als auch in beliebige Strukturen möglich. Dabei erfolgt die Aufteilung der Planungs- und Abrechnungsmengen sowie der anteiligen Kosten, die entweder manuell oder automatisch zuweisbar sind, auf Kostenträger oder andere frei wählbare Kriterien. Die Zuordnung kann wahlweise zu 100 % zu Kostenträgern, nach Standardschlüsseln oder analog nach zugewiesenen Werten gleich verteilt werden. Die Kostenaufteilung für Rechnungen, Gutschriften und Zahlungsfreigaben ist nachweisbar. Außerdem können die Kosten nach Kostenstellen und Kostenträgern dargestellt werden.

Bei dem Projekt kommt die Funktionalität des Kosten- und Mengenträgersplittings zum Tragen. Aufgeteilt werden diese auf die zwei Teilprojekte Vorklärung und Faulturm sowie auf die einzelnen Gewerke wie Maschinen-, Bau- und E-Technik. Darüber hinaus werden die Kosten beim Faulturm in förder- und nicht-förderfähig aufgeteilt. „Sind die einzelnen Positionen einmal angelegt, muss ich nur noch auf einen Knopf drücken. Das Programm teilt die Kosten entsprechend auf und dokumentiert den Betrag, den wir vom Fördergeber erhalten“, erläutert der Technische Leiter Uwe Felgenträger. So können die Fördergelder sukzessive entsprechend dem Baufortschritt abgerufen werden.

Kostenberechnung des Ingenieurbüros einlesen

eingerüsteter Faulturm zur Vorbereitung der Verkleidung eingerüsteter Faulturm zur Vorbereitung der Verkleidung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

eingerüsteter Faulturm zur Vorbereitung der Verkleidung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Das im jährlichen Wirtschaftsplan festgelegte Projektbudget gibt Bauingenieur Uwe Felgenträger in „California.pro“ ein. Hat das Ingenieurbüro die Entwurfsplanung erstellt und die Kostenberechnung entsprechend der Gewerke Bau-, Maschinen- und E-Technik aufgeteilt, übernimmt er die Werte ins System und hinterlegt diese inklusive der Ingenieurleistung. Nachdem das Ingenieurbüro die Ausschreibungsunterlagen sowie die dazugehörigen Leistungsverzeichnisse erstellt hat, liest Uwe Felgenträger das vom Ingenieurbüro bepreiste Leistungsverzeichnis wiederum in „California.pro“ ein. Vor der Einstellung der Ausschreibung auf die Vergabeplattform überprüft er, ob die angemeldeten Mittel mit dem bepreisten LV übereinstimmen. Der Technische Leiter erläutert: „Sollte eine Differenz vorliegen und die im Leistungsverzeichnis aufgeführten Kosten höher als das Budget sein, hätte ich Geld aus anderen Töpfen organisieren müssen.“ Nach der technischen Prüfung der Angebote durch das Ingenieurbüro und der Eingabe des LVs in den internen Rechnungs- und Prüfungslauf der Stadtwerke Leer können die Aufträge vergeben werden. Beim Einlesen der Abschlagsrechnung mit den Mengenermittlungen in „California.pro“ fällt auf, dass Positionen von den ausführenden Unternehmen teilweise ergänzt worden sind. Dies ist zum Teil Planänderungen geschuldet. Die Abweichungen werden akribisch kontrolliert und da nicht angelegte Positionen nicht abgerechnet werden können, werden die Auftragnehmer aufgefordert entsprechende Nachtragsangebote einzureichen. Diese Nachtragspositionen werden anschließend eingepflegt. Insgesamt sind es zwischen zwei und fünf Nachträgen pro Gewerk. „ ,California.pro‘ ist äußerst hilfreich bei einer so großen Maßnahme diese Positionen zu entdecken“, so der Technische Leiter.

Durchgängige Kostentransparenz

Innenansicht Faulbehälter bei der Montage der maschinellen Ausrüstung Innenansicht Faulbehälter bei der Montage der maschinellen Ausrüstung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Innenansicht Faulbehälter bei der Montage der maschinellen Ausrüstung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Die Kostentransparenz und damit die Möglichkeit bei Abweichungen gegenlenken zu können, ist ein wichtiges Kriterium für den Einsatz des Systems. Da die Stadtwerke Leer mit dem Programm jeden einzelnen Kostenstand der beiden Teilprojekte dokumentieren und die einzelnen Kostenstände zu Vergleichszwecken festfrieren, sind die Auswirkungen der Kosten der während des Bauablaufes vorgenommenen Änderungen sowohl an der Vorklärung als auch am Faulturm erkennbar. Die übersichtliche Dokumentation von „California.pro“ angefangen bei der Kostenberechnung über den Kostenanschlag, den Hauptauftrag und den Nachtragsstadien bis zur Kostenfeststellung, ist ein wesentliches Hilfsmittel zur Kontrolle. Fertiggestellt wurden die beiden Teilprojekte mit einer Corona bedingten Bauzeitverzögerung von einem Jahr im Januar 2021.

Faulturm mit Vorklärung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

Faulturm mit Vorklärung
Foto: Stadtwerke Leer AöR

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