„Wer nicht normt, der wird genormt“ – Aktueller Stand der Normung

Als im DIN am 1. April 2015 der Normenausschuss „Building Information Modeling“ gegründet wurde, war hierzulande der Andrang der interessierten Kreise riesig und die Liste der international zu bearbeitenden Normen überschaubar. Nach sechs Jahren nun ist national der Kreis der in der Normung Mitwirkenden überschaubar, aber die Liste der zu bearbeitenden Normen riesig. Es ist an der Zeit für einen Überblick, welche Normen für die Softwareunternehmen wichtig werden und wo Engagement lohnend und nachhaltig ist.

Normen und Standards spielen in der Industrie eine wichtige Rolle und sind vor allem für kleinere mittelständische Unternehmen sinnvoll. Mit Hilfe von Normen können KMU verlässlich und ohne ständige Änderungen mit vielen unterschiedlichen Beteiligten zusammenarbeiten. Nur durch verbindliche Normen wird sich der Open-BIM-Prozess für die gesamte Wertschöpfungskette des Bauwesens umsetzen lassen. Dennoch ist die Normungsarbeit nicht unbedingt beliebt – sie ist zumeist knochentrocken, überwiegend ehrenamtlich und manchmal zäh wie Kaugummi. Dass Normen heutzutage nicht (mehr) in Deutschland, sondern in der großen Mehrheit auf internationaler Ebene bei CEN und ISO entstehen, macht die Sache noch etwas herausfordernder. Da die meisten EN- und ISO-Normen in Deutschland als DIN-Normen eingeführt werden, ist es zwingend notwendig, dass deutsche Vertreter sich in der internationalen Normungsarbeit einbringen. Denn nur durch das Engagement der nationalen interessierten Kreise können nationale Besonderheiten auf internationaler Ebene verankert werden. Es stellt sich die schwierige Frage, wo die Prioritäten zu setzen sind? Der Beitrag liefert einen knappen Überblick über für die Bausoftwareunternehmen aktuellen und zukünftig relevanten Normen.

Für den Infrastrukturbereich soll die bestehende DIN EN ISO 16739-1 (Industry Foundation Classes IFC für den Datenaustausch in der Bauwirtschaft und im Anlagenmanagement – Teil 1: Datenschema) weiterentwickelt werden.

Die DIN EN 17412-1 (Building Information Modelling – Informationsbedarfstiefe – Konzepte und Definitionen) liegt als Entwurf vor und soll die Methodologie regeln, mit der Ausarbeitungsgrade von BIM-Leistungen spezifiziert werden. Bereits bestehende nationale Klassifikationen und Arbeitsabläufe sollen so weit wie möglich Eingang finden. Die Erarbeitung der Datenschema ist für die Softwareunternehmen ist von großer Bedeutung.

Die DIN EN 00442032 soll die gemeinsamen Datenumgebungen (CDE) für BIM-Projekte mit offenem Datenaustausch zwischen Plattformen unterschiedlicher Hersteller über eine offene CDE-API regeln. Basis für die geplante Norm bildet die DIN SPEC 91391. Es ist ein mögliches Konzept zur Übertragung von „Projektdaten“ über die in IFC-möglichen Strukturen hinaus.

Auch die DIN EN ISO 21597 ist relevant, da sie Regelungen zu Informationscontainern für den Datenaustausch (ICDD) betrifft. Bei der Weiterentwicklung des Multimodell-Container-Konzeptes steht die Datenübergabe aus einer Kombination von Modellen und anderen Datenformen (Texte, Tabellen, Berechnungen etc.) im Focus. Das Konzept ist interessant, da alle relevanten und erprobten Datenformate für die Beschreibung eines Bauwerkes mit den (geometrischen) Modelldaten im IFC-Format direkt verknüpft werden sollen. Beide Teile der DIN EN ISO 21597 (Teil 1 – Container – und Teil 2 – Dynamische Semantik) liegen im Entwurf bereits seit Oktober 2018 vor. Die finalen ISO-Fassungen wurden in englischer Sprache bereits 2020 veröffentlicht, die deutschen DIN-Fassungen sollen in Kürze veröffentlicht werden.

Die DIN EN ISO 19650 ist eine in Deutschland von den interessierten Kreisen viel diskutierte Norm zum „Informationsmanagement“ innerhalb des BIM-Prozesses. Nachdem der Teil 1 (Begriffe und Grundsätze) und Teil 2 (Planungs-, Bau- und Inbetriebnahmephase) im Sommer 2019 in Deutschland erschienen sind, wird derzeit noch an der Entwicklung des nationalen Leitfadens gearbeitet. Die deutsche Fassung von Teil 3 (Betriebsphase der Assets) und von Teil 5 (Spezifikation für Sicherheitsbelange von BIM, der digitalisierten Bauwerke und des smarten Assetmanagements) soll im März 2021 veröffentlicht werden, der Teil 4 (Informationsaustausch) ist noch in der Erarbeitung.

Für die Softwareunternehmen ist die DIN EN ISO 29481 (Bauwerksinformationsmodelle – Handbuch der Informationslieferungen – IDM „Information Delivery Manual“) von Interesse. In Ergänzung zu den vorhandenen beiden Teilen wird seit Dezember 2020 der Teil 3 für Datenschema und Klassifikationen erarbeitet. Diese Regelungen sind ein wichtiger Baustein für den Prozess des Informationsweitergabe, weshalb das Engagement von Vertretern der Softwarebranche wichtig ist.

Schließlich dürfte auch der Entwurf der DIN EN 17473 vom Februar 2020 für die Softwarebranche von Interesse sein – Vorlagen für auf CEN/CENELEC-Normen basierende Produktdaten eines offenen europäischen Datenkatalogs – Struktur für Produktdatenvorlagen, die auf harmonisierten technischen Spezifikationen unter der EU-BauPVO basieren und die Inbeziehungsetzung der Produktdatenvorlagen zu IFC-Klassen. Hier ist noch ein stärkeres Engagement von Vertretern der Softwareunternehmen erforderlich.

Sofern Sie weitere Fragen oder Interesse an der Mitarbeit in der Normung haben, freuen wir uns über Ihre Rückmeldung an .

x

Thematisch passende Artikel:

DIN EN ISO 19650

Informationsmanagement mit BIM

Nach der englischen Fassung ist die deutsche Version der internationalen Norm DIN EN ISO 19650 „Organisation von Daten zu Bauwerken – Informationsmanagement mit BIM“ vorab verfügbar. Die Norm...

mehr

Normungsroadmap für BIM

Gemeinsames Wirken von DIN-Normenausschuss Bauwesen, buildingSMART Deutschland, VDI und BIM Deutschland

Ziel der Roadmap ist es unter Einbeziehung aller relevanten Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft, öffentlicher Hand und Gesellschaft die zukünftige strategische Ausrichtung der Normung und...

mehr