Die Angemessenheit des Bauens

Ein Museum für das Weltkulturerbe Regensburger Altstadt

Egal welches Bauwerk er erschafft, ob nun von Weltruhm oder banaler Schlichtheit: Ein Architekt setzt stets ein Zeichen, vermittelt einen Standpunkt und positioniert seine Interpretation der Bauaufgabe in jedem seiner Bauwerke. Umso wichtiger ist es, dass Architekten äußerst bewusst mit dem Ort, dem Bauplatz und dem Bestand umgehen.

Die Regensburger Altstadt zählt seit 2006 zum geschützten UNESCO-Weltkulturerbe. Jeder Stein hinter den historischen Stadtmauern atmet jahrhundertealte Geschichte. Mehr als 1.000 Einzeldenkmäler umfasst die Denkmalliste der „Stadt an den vier Flüssen“, wie Regensburg auch genannt wird. Für jeden Architekten, der hier etwas anpackt, bedeutet das größte Behutsamkeit und Respekt im Umgang mit dem Bestand. Und dem historischen Erbe. Dennoch: Die wohl einmalige Aufgabe, am Ufer der Donau mitten in der Regensburger Altstadt, das neue „Haus der Bayerischen Geschichte“ zu errichten, reizte über 250 Architekturbüros. Aus einem europaweit ausgeschriebenen, öffentlichen und zweistufigen Architekturwettbewerb ging 2013 das Frankfurter Architekturbüro wörner traxler richter als Sieger hervor. Und es durfte seinen Entwurf realisieren.

Behutsam alte Wunden schließen

Die besondere städtebauliche Situation am ehemaligen Hunnenplatz, auf dem das Museum heute steht, forderte die Frankfurter Architekten heraus. Für die Regensburger Einwohner sollte an diesem Standort eine alte klaffende Wunde geschlossen werden: In den 1950er Jahren war hier ein zentraler Verkehrsknotenpunkt in der historischen Altstadt geplant. Über 40 Gebäude in unmittelbarer Nähe des heutigen Museums mussten damals weichen. Das Projekt kam nie zustande, doch die Häuser am Hunnenplatz und dem östlichen Georgenplatz waren schon Mitte der 1960er abgerissen.

wörner traxler richter erkannten die Bedeutung jenes Ortes für das gewachsene Stadtgefüge. Sie reagierten im Entwurf darum unter anderem mit der Aufnahme der Dachlinien aus den umgebenden Häusern und führten sie im Neubau fort. Das Spiel der Dachlandschaften nimmt ebenfalls Bezug zur heterogenen und über die Jahrhunderte gewachsene Nachbarbebauung. Im Kanon mit der lebendigen Fassadenstruktur und Oberfläche aus Keramik entsteht eine besondere Qualität des Museums: Es ist ein monolithischer Solitär, der prägnante stadträumliche und architektonische Bezüge zum historisch kleinteiligen Bestand sucht. Und sie findet.

Funktionale Ausrichtung – zeitgemäße Interpretation

Die Architekten setzten sich intensiv mit dem historischen Befund vor Ort auseinander und lassen in ihrem Gebäude den verloren geglaubten Hunnenplatz wiedererstehen. Das Motiv des Platzes als öffentlicher Raum trägt ihren Entwurf. Doch trotz einer Vielzahl Reminiszenzen an die Geschichte des Orts, entstand eine zeitgemäße und kraftvolle Architektur. Projektleiter Torsten Hassenbach: „Das Museum hat eine stark funktionale Ausrichtung. Dennoch wollten wir stets ein skulpturales Gebäude

bauen und nicht ein simples Haus mit ablesbaren Geschossen und kopierten Regensburger Motiven. Eine Skulptur war das Ziel, die sich eng in das Umfeld einfügt und sich damit verzahnt. Das war eine große Herausforderung.“ Stefan Traxler, einer der Geschäftsführer von wörner traxler richter und einer der Entwurfsverfasser ergänzt: „Architektur soll Stellung beziehen. Sie soll ernsthaft sein. Architektur ist keine Satire, sondern gebaute Wirklichkeit. Wir Architekten sollten uns also ernsthaft mit ihr auseinandersetzen und einen Beitrag aus unserer Zeit liefern. Aber stets mit dem nötigen Respekt gegenüber dem, was wir vor Ort finden.“

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg; Architekten: wörner traxler richter
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Frank Blümler

Das Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg; Architekten: wörner traxler richter
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Frank Blümler

Die zeitgemäße Interpretation des historischen Stadtgrundrisses am Hunnenplatz setzt neue Wegbeziehungen im Quartier – ohne zwangsläufig die Ausstellung selbst zu besuchen. Für wörner traxler richter sind die zen­trale, öffentliche Halle im Gebäude und die Gasse, die sich durch den Museumsbau zieht, wichtige Bindeglieder zwischen Alt und Neu. Dass die Frankfurter Architekten sehr aufmerksam Gebäude und Standort verknüpfen, spiegelt sich auch in den Fassaden wider. Sie entwickeln sich einerseits selbstbewusst und eigenständig, führen aber andererseits Traufen und Maßstäblichkeit der umgebenden Häuser fort. Vertikale, vorgehängte Keramikelemente liegen verbindend wie ein engmaschiges Netz über dem Baukörper und machen ihn als Gesamtstruktur erlebbar.

Umfassende Kooperation und modellbasierte Planung

Die Ausstellungsarchitektur und das Museumskonzept stammen von den Spezialisten HG Merz. Das Büro hat eine Vielzahl von Museen beplant, so das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart oder das Richard-Wagner-Museum, Bayreuth. Die Zusammenarbeit von wörner traxler richter und HG Merz verlief reibungslos. Auch wenn Architekturkonzept und Ausstellungskonzept anfangs keineswegs deckungsgleich waren. Für Projektleiter Torsten Hassenbach erwies es sich dennoch als fruchtbare Kooperation: „Es gibt Bereiche, wo wir direkt an den Bestand angeschlossen haben. Da ließen sich zum Beispiel wegen der geringen Raumhöhe bestimmte Exponate gar nicht an die Wände hängen. HG Merz haben den Ausstellungsverlauf dann mit uns umorganisiert und angepasst. Sowas ist ohne eine gute Zusammenarbeit gar nicht möglich.“

Innenansicht mit dem lichtdurchfluteten Foyer
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Frank Blümler

Innenansicht mit dem lichtdurchfluteten Foyer
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Frank Blümler

Die komplexe Planung und die minutiös durchorganisierte Umsetzung vor Ort bedeutete bei allen Partnern eine offene Kommunikation und perfekte Organisationsleistung. Eine bauteilorientierte Planung kann für Projekte wie das Haus der Bayerischen Geschichte die optimale Lösung sein. Auch wörner traxler richter setzten im Projekt auf eine konsequente Modellierung mit ihrer Planungssoftware „Allplan“ und nutzten die technischen Möglichkeiten des Tools, um die eigenen Projektabläufe zu optimieren. Darüber hinaus erwies sich das Planungsmodell als äußerst hilfreich für die Dimensionierung der aufwendigen Stahldachkon­struktion. Der Tragwerksplaner nutzte das Modell und entwickelte sein Statikmodell daraus.

Blick auf die aufwendig gestaltete Lamellendecke des Museums
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Ralph Thimm

Blick auf die aufwendig gestaltete Lamellendecke des Museums
wörner traxler richter planungsgesellschaft mbh, Foto: Ralph Thimm

Die Architekten generierten vorrangig Grundrisse und keine Schnitte oder Ansichten aus dem Gebäudemodell, was mit der Kubatur zu tun hatte. Torsten Hassenbach: „Die Ansichten sind komplex, weil im Museum praktisch keine zwei Flächen parallel zueinander verlaufen. Und wir standen immer vor der Frage, ob wir Flächen ausgeben, die geometrisch eine Ansicht sind, oder die Addition von Abwicklungen? Beides erschien uns unsinnig. Wir wollten es in einer Zeichnung zusammenbringen, die sowohl für Präsentationszwecke als auch als Werkplanung dienen konnte.“

BIM braucht Bauherrn zum Erfolg

Der Einsatz der BIM-Planungsmethode und die bauteilorientierte Planung in „Allplan“ gehört bei wörner traxler richter zum Alltag. In laufenden Projekten setzen die Architekten auf BIM bei der Mengen- und Massenermittlung oder im Austausch mit den Fachplanern. Das Büro arbeitet bereits seit 2003 in 3D, seit 2013 bauteilorientiert. Der Nutzen, so stellt Stefan Traxler klar, muss aber vor allem dem Bauherrn vermittelt werden.

Wenn dieser BIM fordert, weil er z.B. aus dem Gebäudemodell sein Betreibermodell (FM-Modell) ableiten möchte, muss er den damit verbundenen Prozess verstehen. Die gängige Planungskultur in Deutschland ermöglichte es Bauherren bisher, auch in fortgeschrittenen Projektphasen für ihn kostenneutral umfassende Änderungen durchzusetzen. BIM erfordert frühe, verbindliche Entscheidungen für eine reibungslose Projektabwicklung. Sonst sind die Aufwände für eine Umplanung bei Projektbeteiligten wie den Architekten oder Tragwerks- und TGA-Planern immens – und leider oft unbezahlt. Diese Disziplinierung, so Stefan Traxler und Torsten Hassenbach unisono, ist nötig, um BIM erfolgreich im Markt zu verankern und den Aufwand mit der digitalen Methode nicht zu vergrößern, sondern zu verkleinern.

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