Eine Technologie-Übersicht

Computergenerierte Realitäten im Bauwesen

Vom Entwurf bis zur Fertigstellung eines Bauwerks sind im Rahmen der Digitalisierung verschiedene zukunftsweisende Entwicklungen im Einsatz. Die in diesem Beitrag betrachteten Begriffe aus dem Bereich der computergenerierten Realitäten sind ein Teilgebiet der Innovationen, die künftig am Bau eine Rolle spielen können.

Ein hohes Nutzungspotential versprechen Technologien wie Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Anhand dieser beiden Technologien werden im Folgenden Geräte und mögliche Einsatzgebiete in den verschiedenen Sparten des Bauwesens aufgezeigt. Gleichzeitig werden dabei auch die Schwierigkeiten angedeutet, die mit der Implementierung von digitalen Technologien in einer heute noch sehr traditionell konstatierten Branche wie dem Bauwesen verbunden sind. So sind den meisten Akteuren in der Baubranche die Fachtermini größtenteils noch fremd. Im Folgenden werden acht Begriffe aus dem Bereich der computergenerierten Realitäten diskutiert und mit BIM-relevanten Beispielen baupraxisnah dargestellt werden.


Virtual Reality: CAVE & VR-Brillen

Während der häufig sehr umfangreichen Planungsphasen eines Bauwerks bieten sich in Zeiten der Digitalisierung vor allem für die damit verbundenen komplexen Abstimmungsprozesse virtuelle Technologien an. Durch computergenerierte Projektionen innerhalb eines CAVE (Cave Automatic Virtual Environments) können z.B. Baudetails und -abläufe dargestellt und diskutiert werden. Es handelt sich bei einem CAVE um einen Raum, in dem virtuelle Darstellungen auf die Decken-, Wand- und Bodenflächen projizierbar sind. Im Bauwesen können solche stationären Umgebungen z.B. für Planungs- und Baubesprechungen oder für Präsentationen mit Öffentlichkeitsbezug herangezogen werden. Dies sollte im besten Fall auf Grundlage eines zentral verwalteten Bauwerkinformationsmodells im Rahmen der Methode des Building Information Modeling (BIM) geschehen. Ein großer Vorteil bei der Nutzung eines CAVE ist die direkte Interaktion zwischen den Akteuren aus den verschiedenen Planungsbereichen der Baubranche: In Echtzeit können innerhalb einer virtuellen Umgebung diverse Aspekte eines Bauvorhabens analysiert und besprochen werden. Als Nachteil kann die Ortsgebundenheit eines CAVE angesehen werden: Alle an einer Besprechung Beteiligten müssen sich in demselben Raum befinden, in dem die projizierten Inhalte zu sehen sind.

Anders ist dies bei Verwendung einer Virtual Reality-Brille: Mithilfe eines solchen Head-Mounted-Displays können Nutzer in ein Gebäudemodell eintauchen, auch wenn sie nicht vor Ort sind. Im Bereich der Virtual Reality werden häufig die Modelle „Oculus Go“ oder „HTC Vive“ genannt. Im Vergleich zum ortsfesten CAVE können Beteiligte somit physisch abwesend und ggf. auch spontaner an virtuellen Besprechungen teilnehmen. Nachteil bei der Verwendung einer VR-Brille ist die Abschirmung des Nutzers gegenüber der realen Umwelt: Projektbeteiligte müssen – wenn sie in den virtuellen Welten dargestellt werden sollen – ggf. als Avatare eingeblendet werden. Unabhängig davon, ob für Besprechungen ein CAVE genutzt oder Brillen verwendet werden, die Vorteile von immersiven Szenarien gegenüber herkömmlichen Baubesprechungen sind vielversprechend.


Augmented Reality: HMD & HUD

Insbesondere für Prozesse auf Baustellen sind zwei Displayvarianten zukunftsträchtig. Bei der ersten handelt es sich um das sog. Head-Mounted-Display (HMD). Dieses wird direkt am Kopf von Nutzern getragen. Die gängigste Form von HMD sind Brillen. Entsprechende Displays werden in Bereichen der Computerspielindustrie bereits für diverse Augmented Reality-Szenarien genutzt. Überträgt man die Möglichkeiten der AR-Technologie auf Baustellen, so können Facharbeiter sich mithilfe dieser Displays vir­tuelle Elemente in die von ihnen betrachtete reale Umgebung einblenden lassen. Auch hier basiert der Informationsgewinn auf einem dreidimensionalen, mit Attributen versehenen BIM-Modell. Durch Projektionen auf das direkt vor den Augen befindliche Brillen­glas können Nutzer während der auszuführenden Arbeitsvorgänge ihren Kopf bewegen, ohne dass die projizierten computergenerierten Elemente aus dem direkten Blickfeld verschwinden. Die bekanntesten – vereinzelt noch in Entwicklungsphasen steckenden – HMD-Geräte sind die „Hololens“ von Microsoft, die „Magic Leap One“ oder die „Smart Glasses“ von Daqri. Das Modell von Microsoft ist im Gegensatz zu den anderen hier genannten Brillen kabellos und somit für die meist ortsungebundenen und mit Sicherheitsaspekten behafteten Vorgänge auf Baustellen besser nutzbar.

Bei der zweiten Variante handelt es sich um das Head-Up-Display (HUD), eine von den Nutzern i.d.R. etwas weiter entfernte Projektionsfläche, wie z.B. eine Windschutzscheibe in einem Fahrzeug. Solche Flächen sind auf Baustellen u.a. in Baggern, Radladern oder Kranführerkabinen zu finden. Einem Baggerfahrer ist es z.B. mithilfe der auf einer Scheibe eingeblendeten Informationen somit möglich, nachfolgende Arbeitsschritte – ohne weitere Einweisungen durch zusätzliche Mitarbeiter – direkt eingeblendet zu bekommen. Unter Verwendung eines HUD kann er auf Grundlage des verknüpften BIM-Modells vor Ort autonom navigieren oder sich bereits im Boden vorhandene Leitungen anzeigen lassen.

Wie bereits bei VR-Brillen erwähnt, sind auch HMD durch ihre Ortsunabhängigkeit – und damit innerhalb von Vorgängen auf Baustellen – flexibler einsetzbar als HUD. Als Nachteil beider Varianten ist die Lichtempfindlichkeit zu nennen: werden virtuelle Bau­ele­mente in die reale Umgebung pro­ji­ziert, kann die Sonneneinstrahlung ein Ablesen der relevanten Informationen erschweren oder sogar unmöglich machen. Diverse Bereiche der Bauaus­führung sind bereits Bestandteil erster Forschungsvorhaben. So werden u.a. die Möglichkeiten zur Verwendung von AR-Brillen für Roh- und Ausbauarbeiten verschiedener Gewerke untersucht. Das Unternehmen Trimble entwickelte z.B. eine Kombination aus AR-Brille und Bauhelm. Neben der Implementierung einer neuen Technik wurden damit gleichzeitig auch die für Baustellen zwingend notwendigen Sicherheitsaspekte abgedeckt.

 

Augmented Reality: Tracking & Marker

Um die zuvorgenannten Display-Varianten für Prozesse auf Baustellen verwenden zu können, sind lokale, stellenweise rein temporäre Markierungen erforderlich, an denen sich die entsprechenden Geräte (z.B. Augmented Reality-Brillen) in ihrer Umgebung orientieren. Um eine exakte Lokalisierung zu ermöglichen, werden für die Interaktion diverser Elemente untereinander sog. Marker verwendet. Diese sind in der heutigen Arbeits- und Lebenswelt häufig als Bar- oder QR-Codes auf Verpackungen oder Produkten zu finden. Es handelt sich dann um zweidimensionale Markierungen, die durch Kameras auf verschiedenste Art und Weise identifiziert bzw. getrackt werden können. Dadurch ergibt sich ein zusammenhängendes, auf einem Bauwerksinformationsmodell basierendes Ortungssystem. Diese – auch als Tracking bezeichneten Zusammen­hänge – werden für Baustellen in Zukunft insbesondere aufgrund der häufig sehr komplexen logistischen Vorgänge immer relevanter. Neben der reinen Erkennung von Objekten lassen sich weiterführend anhand von Beschleunigungen und Verzögerungen diverser Objekte auch Bewegungsgeschwindigkeiten aufzeichnen und berechnen. Da­durch können Bauprozesse effizienter dokumentiert, ausgewertet und für weitere Projekte optimiert werden. Verknüpfungen diverser Geräte untereinander, z.B. von AR-Brillen, Werkzeugen oder Baumaschinen, sorgen durch die Wechselbeziehungen untereinander für nachvollziehbarere Arbeitsabläufe im Gesamtzusammenhang der häufig komplexen Baustellenbedin­gungen.

 

VR & AR: Data Gloves & Controller

Die Aussage „Ein Werk mit seinen Händen zu erschaffen” steckt bereits im Terminus des im Bauwesen angesiedelten und breitgefächerten Handwerks. Betrachtet man die darin enthaltenen verschiedenen Tätigkeiten einzelner Gewerke, so werden viele dieser Arbeiten auch heute noch konventionell mit den Händen ausgeführt. Für viele dieser damit verbundenen Prozesse verwenden Facharbeiter Bauhandschuhe, die, je nach Einsatzgebiet, häufig keine lange Lebensdauer aufweisen und somit augenscheinlich für digitale Prozesse vorerst nicht in Frage kommen.

Sollten Arbeiten in Zukunft aber zunehmend von Maschinen ­übernommen werden, ist eine Weiterentwicklung von Bauhandschuhen zu sog. Data Gloves vorstellbar. Der Vorteil von digitalen Handschuhen liegt in der effektiven Anwendbarkeit vor Ort: Sind Handschuhe für die meisten Tätigkeiten obligatorisch, bieten sich für entsprechende damit verbundene Ausführungsprozesse diverse Nutzungsmöglichkeiten an.

So sind z.B. bei einer Verknüpfung der Data Gloves mit einem zentralen Bau­werkinformations­modell Handlungen schnell und effektiv ausführbar: Objekte, die mithilfe einer AR-Brille eingeblendet werden, sind durch ein computergeneriertes haptisches Greifen mit digitalen Handschuhen realitätsnah zu bewegen. Durch Anwählen und Verschieben virtueller Elemente sind Fachleute in der Lage, ohne Verwendung eines Papierplans oder Tablets Informationen direkt abzurufen. Inte­grier­tes Fingertracking kann durch Aufzeichnen von Greifbewegungen Pro­zesse zusätzlich besser dokumentieren.

Data Gloves gibt es bereits in unterschiedlichen Ausführungen: Neben einer gestenbasierten Variante, bei der unterschiedliche Fingerhaltungen für bestimmte Funktionen verwendet werden können, ist für Baustellen v.a. eine Kombination mit einem Exoskelett, wie z.B. der „EksoVest“ des ­Unternehmens Ekso Bionics, in Betracht zu ziehen.

Wenig zweckdienlich für die Baustelle sind hingegen sogenannte Controller, wie sie auch bei Spielekonsolen verwendet werden. Diese sind gegenüber Handschuhen unpraktisch und in Zukunft für Arbeitsprozesse zur Errichtung von Bauwerken wenig bis gar nicht relevant.

Bei Planungsprozessen werden solche Steuereinheiten jedoch bereits eingesetzt, z.B. innerhalb eines CAVE. Mithilfe entsprechender Controller können dort beispielsweise während Baubesprechungen geplante Bauelemente bewegt bzw. verschoben werden.

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