Daten statt Dokumente – die Zukunft des vernetzten Bauens

Interview mit Thinkproject über den digitalen Wandel der Bauindustrie und den Einsatz von KI

Die Digitalisierung der Baubranche schreitet voran – doch einheitliche Datenstrukturen und vernetzte Prozesse bleiben eine der größten Herausforderungen. KI, Automatisierung und intelligente Plattformen eröffnen hier neue Perspektiven. Im Interview erläutert Lutz Bettels, Area Vice President Central bei Thinkproject, wie digitale Datenräume den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken abbilden, warum KI kein Selbstzweck ist und weshalb der Deutsche Baupreis ein wichtiger Impulsgeber für Innovation und Zusammenarbeit in der Branche bleibt.

COMPUTER SPEZIAL (CS): Warum unterstützt Thinkproject den Deutschen Baupreis?

Lutz Bettels, Area Vice President Central bei Thinkproject.
Bild: Thinkproject

Lutz Bettels, Area Vice President Central bei Thinkproject.
Bild: Thinkproject
Lutz Bettels: Das kann leicht erklärt werden mit „Ehre, wem Ehre gebührt“. Häufig, wenn neue Bauwerke gebaut werden, steht der Auftraggeber im Fokus. Das ist auch richtig, er hat schließlich das Geld in die Hand genommen, um es in Auftrag zu geben. Es gibt dann eine ganze Menge Personen im Hintergrund, die an der Umsetzung beteiligt sind. Um auch den Baubeteiligten, einschließlich der Industrie, eine Plattform zu bieten, dass sie dort ihre Innovationen präsentieren können, ist sehr wichtig. Und das ist auch für uns die Motivation, den Deutschen Baupreis zu unterstützen.

CS: KI ist in aller Munde. Wo steht Ihrer Ansicht nach die Branche derzeit im Bereich von KI?

Lutz Bettels: Das Wort KI ist sicherlich aktuell in aller Munde. Allerdings steht die Baubranche wir noch relativ am Anfang. Viele Firmen, die sich mit dem Thema KI beschäftigen, sind meist noch dabei, die Anwendungsfälle zu definieren, die das meiste Potenzial haben. Doch denke ich auch, dass wir sehr gute Vorreiter haben, die es einfach ausprobieren. Der große Standard-Workflow, der jetzt allen z. B. 30 % Produktivitätssteigerung bringt, den gibt es momentan noch nicht. Und das wird auch nicht in einem Schlag passieren. Gerade herauszufinden, welche Einsatzbereiche KI bietet, ist ein zeitintensiver Prozess. Das heißt, dieser eine große Schlag, den man sich vielleicht so erwünscht von KI, den sehe ich persönlich nicht. Aber ich sehe auch Unternehmen, die sich sehr gute Use-Cases aufbauen und ausbauen, was sicherlich dann auch zu einer großen Produktivitätssteigerung führen wird.

CS: Häufig ist zu hören, dass die Digitalisierung gerade auch durch KI voranschreitet. Wann werden wir Ihrer Einschätzung nach Änderungen im Arbeitsleben und in den Prozessabläufen spüren?

Lutz Bettels: Im Grunde ab sofort, denn KI lässt sich auf verschiedenen Ebenen einsetzen. Ein einfaches Beispiel ist die Sprachsteuerung über marktgängige KI-Systeme – das eröffnet neue Potenziale, ohne großen Entwicklungsaufwand. Ein zweites Beispiel ist die Nutzung von KI zur Datenanalyse. KI ist sehr gut darin, Muster in Daten zu erkennen, diese auszuwerten, und dann daraus letztlich Rückschlüsse zu ziehen. Und als drittes Beispiel gibt es schließlich den Bereich Agentic AI und Generative AI, wo es nochmal einen Schritt weitergeht und nicht nur Datenauswertungen und Analysen gemacht, sondern auch gleich Lösungsvorschläge präsentiert werden. Das soll nicht heißen, dass die Personen, die das bisher gemacht haben, überflüssig werden. KI ist einfach ein Werkzeug, das dabei hilft, noch schneller und effektiver zu arbeiten sowie bessere Lösungen zu entwickeln. Zu diesen Punkten sind auch wir Softwarehersteller gefragt, Agentic-AI-Capability zur Verfügung zu stellen.

CS: Es gibt in Deutschland immer noch sehr viele Insellösungen und gleichzeitig sehr viele Normen. Wie kommen wir zu einheitlicheren Datenstrukturen und mehr digitalen Schnittstellen?

Lutz Bettels: Ich glaube nicht, dass es uns an Datenstrukturen mangelt. Es gibt mittlerweile für jede Industrie einen entsprechenden Standard, der zumindest der kleinste gemeinsame Nenner ist. Die generellen Datenstrukturen mit all ihren Attributen sind in vielen dieser Standards hinreichend beschrieben. Die Herausforderung ist, Daten sinnvoll zu verknüpfen und sie anderen Beteiligten oder Systemen zugänglich zu machen. Und das ist etwas, was solche Standards nicht lösen können. Dafür braucht es eine Plattform, die den Zugriff auf Datensilos ermöglicht und die relevanten Informationen für jede Aufgabe bereitstellt. Die Thinkproject-Plattform beispielsweise ermöglicht den Zugriff auf alle Datenquellen im Lebenszyklus eines Bauwerks. Das beinhaltet auch die Daten zu extrahieren oder sie zumindest sichtbar zu machen, um sie dann allen Beteiligten in dem richtigen Umfang und zur richtigen Zeit sowie an der richtigen Stelle zur Verfügung zu stellen. Im Mittelpunkt steht nicht das System, sondern das Objekt selbst – also das Bauwerk oder Asset, das mit allen relevanten Informationen verknüpft wird. Dieses Konzept nennen wir Data Hub – eine Datendrehscheibe, die Informationen zentral speichert, auf andere Quellen zugreift und eine ganzheitliche Sicht auf Projekte ermöglicht.

CS: Bitte erläutern Sie doch nochmal das Einsatzgebiet von Thinkproject. Und welchen Vorteil es den Anwendern bringt.

Lutz Bettels: Wir liefern für alle Phasen eines Bauprojekts Lösungen für das Informationsmanagement – vom ersten Entwurf bis hin zum Betrieb. Im Zentrum steht die Thinkproject-Plattform, die je nach Phase unterschiedliche Module für die jeweiligen Aufgaben bereithält. In der Planungsphase werden beispielsweise Modelle und Pläne in einem Common Data Environment verwaltet und allen Beteiligten zugänglich gemacht. Bei BIM-Projekten können zudem 3D-Modelle koordiniert, Kollisionsprüfungen durchgeführt und Mängel dokumentiert werden. Ergänzend dazu lassen sich Verträge und Kosten digital abbilden und nachvollziehen. Beim Übergang in den Betrieb unterstützt die Plattform den strukturierten Daten-Handover, sodass der Bauherr genau die Informationen erhält, die er für Wartung und Instandhaltung benötigt. So können alle Daten über den gesamten Lebenszyklus hinweg konsolidiert, weiterverwendet und effizient gemanagt werden.

CS: Wie lassen sich Daten integrieren, die außerhalb dieses Kreises erhoben wurden, wenn Projektbeteiligte nicht mit Ihrer Softwareplattform arbeiten?

Lutz Bettels: Natürlich unterstützen wir die üblichen Standards, um über traditionelle Schnittstellen entsprechend Daten auch zu integrieren. Zusätzlich bieten wir APIs, über die sich Daten programmatisch integrieren lassen. Kunden binden darüber aber auch eigene Datensilos ein. Je nach System ist außerdem eine direkte Integration auf Datenbankebene möglich. Da haben wir verschiedene Layer, um Datenintegration zu betreiben. Im einfachsten Fall ist es ein Standardformat. Auf Datenbankebene und über entsprechende APIs lassen sich auch weitere Systeme integrieren.

CS: Gibt es spezielle Einsatzmöglichkeiten, für die sich Thinkproject besonders gut eignet?

Lutz Bettels: Die naheliegende Antwort ist hier: alles das, was Infrastruktur ist. Also Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur – und gewissermaßen sind Gebäude ja auch eine Form von Infrastruktur. Das liegt daran, dass wir BIM und GIS hervorragend verknüpfen können. Thinkproject kann also sämtliche Dokumente georeferenzieren, das heißt, sie wissen dann auch, zu welchem Ort sie gehören. Beispielsweise bei Energieprojekten von Tennet oder 50Hertz. Gerade dort ist es wichtig, dass ein Dokument auch an der richtigen Stelle verortet ist. Und Gleiches gilt auch für die Deutsche Bahn, oder für die Autobahn GmbH, die sämtliche Projekte mit unseren Lösungen managen.

CS: Abschließend noch einmal zurück zum Deutschen Baupreis. Wem räumen Sie gute Chancen ein?

Lutz Bettels: Als Mitarbeiter von Thinkproject hoffen wir natürlich, dass einer unserer Kunden eine fantastische Gewinner-Idee hat. Letztlich ist es auch olympisch, dass der Beste gewinnen soll. Und ich hoffe, dass wir speziell in der Kategorie, die wir unterstützen, nicht nur einen herausragenden Gewinner haben, sondern hoffentlich auch viele Teilnehmer, die andere motivieren. Die Leute inspirieren, dort selbst auch reinzugucken und zu machen. Wo die Leute motiviert werden. Und ich hoffe natürlich, dass das Gewinnerprojekt etwas aus einem Bereich ist, der uns nahe ist, denn der Bereich KI ist natürlich sehr breit gefächert. Und wenn es dann zumindest in unserem Bereich, dem Information-Management-Bereich wäre, würde mich das sehr freuen.

Deutscher Baupreis 2026

Mit welchen Prozessen und Abläufen bewältigen Unternehmen der Baubranche die Herausforderungen der heutigen Zeit – von Digitalisierung über Kostenexplosion, Lieferengpässen und Personalmangel bis hin zum Umweltschutz? Im Vordergrund des Wettbewerbs „Deutscher Baupreis 2026“ steht die unternehmerische Gesamtleistung im strategischen und operativen Bereich der bewerbenden Bauunternehmen.

Unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen vergibt der Bauverlag auch im Jahr 2026 wieder den Deutschen Baupreis. In acht Preiskategorien werden zusammen mit der Bergischen Universität Wuppertal innovative Unternehmen, von Baufirmen bis hin zum Softwareanbieter, vom Modulbauer bis hin zum Projektentwickler, ausgezeichnet.

Die Anmeldung und Teilnahme zum Deutschen Baupreis ist unter www.deutscherbaupreis.de möglich. Anmeldeschluss ist am 30.11.2025. Die Preisverleihung erfolgt am 24. März 2026 im Rahmen der Messe digitalBAU in Köln.

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