BIM-Einstieg leicht(er) gemacht

Interview mit Gründungsmitgliedern des Kooperationsbündnisses „einfach BIM“

Die BIM-Methode bietet viele Vorteile bei der Planung und Realisierung von Gebäuden, jedoch ist in Deutschland noch wenig Erfahrungswissen in Planungs- und Handwerksbüros vorhanden, um sie in die Arbeitsabläufe zu implementieren. Das interdisziplinäre Kooperationsbündnis „einfach BIM“ hat zahlreiche Wissensbausteine erarbeitet und auf seiner Webseite zum Download zur Verfügung gestellt. Damit möchte das Bündnis andere Akteure bei der Etablierung der digitalen Arbeitsmethode als Planungsstandard unterstützen. Wir haben die drei Gründungsmitglieder von „einfach BIM“ – Marion Oelke vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), Julia Bock vom Planungsbüro WPW Leipzig und Heiko Clajus von Softwarehersteller Graphisoft – nach ihrer Motivation, den Zielen und dem Nutzen des Kooperationsbündnisses gefragt.

COMPUTER SPEZIAL (CS): Frau Oelke, Frau Bock und Herr Clajus, wie sind Sie bei der Erstellung des „einfach BIM“-Wissensportals vorgegangen?

Marion Oelke: Am Anfang mussten wir erst einmal die neuen Themen, Arbeitsweisen, Aufgabenbereiche und Prozesse identifizieren und unsere Mitarbeiter vorbereiten. Mit Heiko Clajus haben wir wichtige Übersichten und Arbeitspakete für unsere Teams erstellt, die beschreiben, wie wir die BIM-Prozesse leben, welche Projektbeteiligten es gibt, welche IT eingesetzt wird und wie wir das Wissen für die bestehenden Prozesse übersetzen. Herr Clajus hat uns in seiner Rolle als Berater deutlich gemacht, wo die Herausforderungen liegen, um ein ganzheitliches Change-Management abzuwickeln.

Heiko Clajus: Wir haben uns mit allen Seiten ausgetauscht und Anwendungsfälle erstellt, die auf die Baubeteiligten und Planer ausgerichtet sind. Darin zeigen wir, wie die verschiedenen Projektbeteiligten zusammenarbeiten sollten und welche Prozesse eingehalten werden müssen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass dies für alle Bereiche neue Prozesse sind. Manchmal sind es scheinbar kleine Dinge, die aber große Auswirkungen haben. Wände müssen bspw. mit den entsprechenden Attributen definiert werden, damit der Haustechniker später seine Heizlastberechnung durchführen kann.

Julia Bock: Als Projektteam haben wir vorausgedacht, Themen aufbereitet und den Teams vorgestellt bzw. sie in Workshops intensiv geschult. Diese Vorgehensweise haben wir während des Planungs- und Umsetzungsprozesses mit anderen Projektbeteiligten beibehalten und ähnlich im Kooperationsbündnis angewandt. Von vielen Projektbeteiligten wurde uns bestätigt, dass die von uns erarbeiteten Grundlagen für sie einen wichtigen Mehrwert darstellen.

CS: Wie kamen Sie zu dem Schluss, dass es besser wäre, eine umfassende theoretische Grundlage in Form eines Wissensportals zu erarbeiten, auf dessen Basis die Bauprojekte durchgeführt werden sollten? Schließlich war dies mit einem sehr hohen Zeit- und Arbeitsaufwand verbunden.

Heiko Clajus: Es gibt zahlreiche Beispiele von Bauprojekten, bei denen sich Unternehmen nicht ausreichend vorbereitet haben oder sogar während des Projektverlaufs versuchen, die BIM-Methode anzuwenden. Das führt regelmäßig zu Konflikten, weil die kosten- und termingerechte Fertigstellung des Projekts gefährdet ist. Aus diesem Grund war es für das HZDR sehr wichtig, sich auf das anstehende Projekt mit einem theoretischen Fundament sehr gründlich vorzubereiten.

Marion Oelke: Als überwiegend bundesfinanzierte Einrichtung hat das HZDR immer auch eine Vorbildfunktion und eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, ganzheitlich zu handeln. Außerdem haben wir als wissenschaftliche Einrichtung die Möglichkeit, ein Projekt so aufzubereiten, dass auch andere von dem Mehrwert profitieren, den unsere Forschung bringt.

Julia Bock: Um die gewonnenen Erkenntnisse und erarbeiteten Prozesse als allgemeingültige Wissensbasis anderen Bauherren zur Verfügung stellen zu können, entschieden wir uns frühzeitig dazu, einen objektiven Beobachter hinzuzuziehen. Diesen neutralen Partner haben wir in der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig gefunden, die das Projekt wissenschaftlich begleitet und dokumentiert.

CS: Wie sollen Baubeteiligte die Unterlagen des Wissensportals einsetzen?

Julia Bock: Jeder, der an der Umsetzung von BIM interessiert ist, kann die Dokumente einfach herunterladen, anwenden und einen eigenen Weg gehen. Die eigentliche Herausforderung bei BIM ist es, zu verstehen, wie der Prozess ganzheitlich für alle funktioniert. Mit den Dokumenten fängt man dann nicht mit einem leeren Blatt an, sondern erhält bereits einen Wegweiser, der sich bewährt hat und an dem man sich sinnvoll orientieren kann. Die Dokumente sind für die Verwendung in der Open-BIM-Methode verfasst, also ohne Bezug auf die Verwendung einer bestimmten Software.

Heiko Clajus: Die Anwendungsfälle, Vorlagen und Umfragen sind für öffentliche, aber auch privatwirtschaftliche Projekte nutzbar, finden sich für alle Leistungsphasen und Gewerke und haben einen direkten Praxisbezug. Wenn es z. B. darum geht, auftraggeberseitig Vorgaben für die digitale Modellierung zu formulieren, dann kann der Auftraggeber den entsprechenden Anwendungsfall und die Vorlagen herunterladen und an seine Fachplaner weitergeben. Diese Vorgehensweise spart allen Beteiligten Zeit und reduziert die Fehlerwahrscheinlichkeit.

CS: Was würden Sie jemandem raten, der mit der BIM-Methode beginnen möchte?

Julia Bock: Fangen Sie klein an. Wer damit startet, sollte erst einmal einen grundlegenden Standard erreichen und später in die Tiefe gehen. Wir hatten oft den Eindruck, dass wir alles durchdrungen haben, mussten dann aber sehen, dass wir doch noch am Anfang stehen und sich wieder neue Bereiche auftun.

Marion Oelke: Entwickeln Sie Ihre Prozesse kontinuierlich weiter. Wir haben bspw. Richtlinien erstellt, in den Projekten damit gearbeitet und diese parallel aktualisiert und verbessert. Damit schufen wir eine hervorragende Basis für weitere Projekte.

Heiko Clajus: Suchen Sie sich Gleichgesinnte. Die BIM-Methode ist sehr technologiegetrieben und daher in allen Facetten sehr komplex. Da hilft es sehr, sich die Methode im Team oder in einem Netzwerk anzueignen und alle an den Erkenntnissen teilhaben zu lassen. Mit der umfangreichen Materialsammlung von „einfach BIM” können z. B. Unternehmen viel leichter auf der BIM-Welle mitschwimmen.

Kooperationsbündnis „einfach BIM”

„einfach BIM“ ist ein interdisziplinäres Kooperationsbündnis von Institutionen aus Forschung, Vergabe, Planung, Bauausführung, Betrieb, Recht und Softwareentwicklung. Das Team erarbeitet idealtypische BIM-Prozesse, Vorlagen zur direkten Anwendung in marktüblicher Software und Umfragen in Form von Nutzwertanalysen. Die Ergebnisse stellt das Kooperationsbündnis auf der Website www.einfachbim.de kostenlos zur Verfügung. Baubeteiligte finden hier die für ihre Anforderungen relevanten Wissensbausteine, mit denen sie Grundlagenkenntnisse für die Digitalisierung von Planungsprozessen aufbauen oder entsprechende Workflows in eigenen Projekten umsetzen können. Die Wissensinhalte wurden so aufbereitet, dass sie auch für BIM-Neueinsteiger gut verständlich sind.

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